RUPPERTSHÜTTEN „Alles Glück der Erde liegt auf dem Rücken der Pferde“: An dieses Sprichwort denken viele spontan, wenn es um das Thema Reiten geht. An Fortbewegungsmittel, an Dressur und Reitsport, an Ferien auf dem Ponyhof. Dass Reiten aber auch beim Heilen helfen kann, ist weniger bekannt. Marion Scheytt und ihr süddeutsches Kaltblut Moritz sind ein Beispiel für den Einsatz auf diesem Gebiet.
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„Das Pferd agiert als Spiegel des Körpers und der Seele.“
Marion Scheytt, Reittherapeutin
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Reittherapien etablieren sich immer mehr als unterstützende Maßnahmen parallel zu anderen Therapieformen. Und finden oft einen Weg oder öffnen gar Türen, wo herkömmliche Methoden nicht weiterkommen. „Es ist eine Möglichkeit,
um zu sich selbst zu finden, zur Ruhenzu kommen, sich zu erden“, sagt Marion Scheytt aus Ruppertshütten.
Seit diesem Jahr ist sie mit dem fünfjährigen Moritz, den die Therapiepferdetrainerin selbst ausgebildet hat, im Einsatz. Das fünf Jahre alte Pferd ist sehr aufgeschlossen, zeigt eine besondere Neigung zu Kindern und strahlt spürbare Ruhe aus. Die 34-jährige Scheytt hatte durch einschneidende Erlebnisse in ihrem Leben spüren müssen, wie wichtig es ist, Ruhe-Pole im Alltag zu finden und sich selbst wahrzunehmen. Als Projektkoordinatorin war sie beruflich viel in Europa unterwegs, der Job bestimmte ihr Leben. Doch auf Dauer machte sich der Stress nicht nur körperlich bemerkbar. Sie sei auf der Suche nach einem Ausgleich gewesen, erzählt Scheytt; es fehlte ihr zunehmend der emotionale Rückhalt.
Ihr Hobby, das Reiten, habe ihr hier die nötige Kraft und Lebensfreude gegeben.
Als der ausgeübte Beruf nicht mehr zu stemmen war, zog sie den endgültigen Schluss-Strich und vollzog den Wechsel: „Ich wollte von nun an mit und für Menschen arbeiten“. Eine Weiterbildung zur Betreuungsassistentin verschaffte ihr einen neuen Arbeitsplatz, die Ausbildung zur Reittherapeutin einen Nebenberuf. Und der Wohnort ihres Lebensgefährten bot ausreichend Raum in der Natur mit viel Platz für ein eigenes Pferd. Für Scheytt ein „Glücksfall“ – rundum.
Glück ist auch in dem Namen Ehwazia zu finden, unter dem sie ihreReittherapie anbietet. Ehwaz, aus germanisch-keltischer Abstammung, steht für Ruhe. Ehwazia gilt für Marion Scheytt als symbolischer Glücksbringer für eine gute Zusammenarbeit. Das Besondere an ihrem Angebot ist nach ihren Worten, dass Moritz gemeinsam mit drei anderen Pferden aufwächst und ständig Zugang zur Weide hat. Das ausgeprägte Sozialleben bildet den natürlichen Charakter, der wichtig für Moritz' Rolle in der Therapie ist. Die Kommunikation mit dem Pferd erfolgt nicht über die Trense, sondern über klare Ansagen, Körperhaltung und mentale Signale. „Das Pferd agiert als Spiegel des Körpers und der Seele“, erklärt Scheytt ihre Therapieform, „es kommt auf die eigene Wahrnehmung und die Umsetzung an.“ Dies zu lernen könne vieles bewirken. Die Arbeit mit dem Pferd fördere die Fähigkeit zur Kooperationsbereitschaft, könne Blockaden lösen und die Konzentration verbessern. Es könne helfen, Vertrauen aufzubauen und Stress zu reduzieren.
Die heilpädagogische Förderung hat sich als besonders effektiv bei Menschen mit Behinderung und Verhaltensauffälligkeiten gezeigt. Doch nicht nur bei körperlichen und geistigen Defiziten wirke diese Therapieform unterstützend, erklärt Scheytt, denn „auch für jemanden, der einfach nur auf der Suche nach einem Ruhe-Pol ist“ könne die gemeinsame Zeit präventiv wirken und Stabilität im Leben geben: „Das Pferd ist vorbehaltlos – es zeigt und führt uns ins Hier und Jetzt.“ Und es macht Unerwartetes möglich. So habe ein Kind mit DownSyndrom, das mit dem Ziel der Per-
sönlichkeitsstärkung und aus purer Freude am Umgang mit Tieren teilnahm, zusätzlich positive Schritte in der Sprachentwicklung gezeigt. Für Marion Scheytt eine bestätigende Erfahrung in ihrem Anliegen, das wertvolle Gut der Gesundheit in den Vordergrund zu stellen: „Und was gibt es Schöneres, als nebenbei noch ein Pferd zum Freund zu haben?“, fügt sie lächelnd hinzu.